Rosenbrock-Wanner-Verfahren

Die Rosenbrock-Wanner-Verfahren (oder ROW-Methoden, oft auch nur als Rosenbrock-Verfahren bezeichnet) sind in der Numerik spezielle Einschrittverfahren zur näherungsweisen Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen. Sie sind benannt nach Howard H. Rosenbrock und Gerhard Wanner.

Bei den Einschrittverfahren besitzen bestimmte implizite Runge-Kutta-Verfahren für steife Anfangswertprobleme sehr gute Stabilitätseigenschaften, ihre praktische Durchführung erfordert aber wegen der Lösung von nichtlinearen Gleichungen einen hohen Rechenaufwand. Aus diesem Grund betrachtet man linear-implizite Verfahren wie die Rosenbrock-Wanner-Verfahren.

Verfahrens-Struktur

Wie bei Runge-Kutta-Verfahren besitzen die Verfahren s {\displaystyle s} verschiedene Stufen, welche die Lösung y ( t ) {\displaystyle y(t)} des Systems y ( t ) = f ( t , y ( t ) ) {\displaystyle y'(t)=f{\big (}t,y(t){\big )}} an Zwischenstellen t n + h n c i , i = 1 , , s , {\displaystyle t_{n}+h_{n}c_{i},\,i=1,\ldots ,s,} eines Zeitschritts der Schrittweite h = h n {\displaystyle h=h_{n}} approximieren. Im Unterschied zu Runge-Kutta-Verfahren sind aber nur lineare Gleichungssysteme zu lösen. Das Verfahren besitzt Koeffizientensätze a i j , γ i j , b i {\displaystyle a_{ij},\gamma _{ij},b_{i}} , die Verfahrensgestalt ist

( I h γ i i T ) k i = f ( t n + h c i , y n + h j = 1 i 1 a i j k j ) + h T j = 1 i 1 γ i j k j + h d i f t ( t n , y n ) ,   i = 1 , , s {\displaystyle {{\big (}I-h\gamma _{ii}T{\big )}k_{i}=f{\Bigl (}t_{n}+hc_{i},y_{n}+h\sum _{j=1}^{i-1}a_{ij}k_{j}{\Bigr )}+hT\sum _{j=1}^{i-1}\gamma _{ij}k_{j}+hd_{i}f_{t}(t_{n},y_{n}),\ i=1,\ldots ,s}}
y n + 1 = y n + h i = 1 s b i k i {\displaystyle y_{n+1}=y_{n}+h\sum _{i=1}^{s}b_{i}k_{i}}

In jeder Stufe ist also ein lineares d × d {\displaystyle d\times d} -System zu lösen, wenn f : R × R d R d {\displaystyle f:\,\mathbb {R} \times \mathbb {R} ^{d}\to \mathbb {R} ^{d}} ist. Die Matrix T {\displaystyle T} in den Stufensystemen ist die Jacobimatrix am Anfang des Zeitschritts, T = f y ( t n , y n ) {\displaystyle T=f_{y}(t_{n},y_{n})} , zwischen den Verfahrenskoeffizienten fordert man die Beziehungen

c i = j = 1 i 1 a i j , d i = j = 1 i γ i j . {\displaystyle c_{i}=\sum _{j=1}^{i-1}a_{ij},\quad d_{i}=\sum _{j=1}^{i}\gamma _{ij}.}

Wenn alle γ i i γ {\displaystyle \gamma _{ii}\equiv \gamma } gleich sind, ist beim Gauß-Algorithmus die teure LR-Zerlegung nur einmal zu berechnen. Die Verfahren können ebenfalls durch ein (erweitertes) Butcher-Tableau

c A Γ b {\displaystyle {\begin{array}{c|c|c}c&A&\Gamma \\\hline &b&\end{array}}}

beschrieben werden, wobei A = ( a i j ) {\displaystyle A=(a_{ij})} und Γ = ( γ i j ) {\displaystyle \Gamma =(\gamma _{ij})} untere Dreieckmatrizen sind. Eine ursprüngliche Form der Verfahren ohne die Zusatzterme mit γ i j , j < i {\displaystyle \gamma _{ij},j<i} , geht auf H.H. Rosenbrock (1963) zurück, die vollständige Form wurde 1977 von G. Wanner eingeführt.

Konsistenz und Stabilität

Die ROW-Methoden lassen sich so interpretieren, dass man bei einem diagonal-impliziten Runge-Kutta-Verfahren genau einen Schritt des Newton-Verfahrens ausführt. Daher sind für ein Verfahren der Ordnung p {\displaystyle p} mindestens s p 1 {\displaystyle s\geq p-1} Stufen erforderlich. Bei geeigneter Wahl des Diagonalwerts γ γ i i {\displaystyle \gamma \equiv \gamma _{ii}} existieren A-stabile Verfahren.

Beispiel-Verfahren

Das zwei-stufige Verfahren mit dem Tableau

0 0 γ 0 2 3 2 3 0 4 3 γ γ 1 4 3 4 {\displaystyle {\begin{array}{c|cc|cc}0&0&&\gamma &0\\{\frac {2}{3}}&{\frac {2}{3}}&0&-{\frac {4}{3}}\gamma &\gamma \\\hline &{\frac {1}{4}}&{\frac {3}{4}}&\end{array}}}

und γ = ( 1 + 1 / 3 ) / 2 {\displaystyle \gamma =(1+1/{\sqrt {3}})/2} besitzt Ordnung 3 und ist A-stabil. Es gibt eine effiziente ROW-Methode GRK4T von Kaps und Rentrop mit s = 4 {\displaystyle s=4} Stufen und Ordnung p = 4 {\displaystyle p=4} , bei dem über ein eingebettetes Verfahren auch eine Schrittweitensteuerung möglich ist.

Verallgemeinerungen

Wenn man die Bedingung T = f y ( t n , y n ) {\displaystyle T=f_{y}(t_{n},y_{n})} fallen lässt, bekommt man sogenannte W-Methoden, bei denen man eine grobe Approximation T {\displaystyle T} der Jacobimatrix von f {\displaystyle f} verwenden kann, etwa indem man die LR-Zerlegung von I h γ T {\displaystyle I-h\gamma T} nicht in jedem Zeitschritt neu berechnet. Für diesen Typ existieren aber nur Verfahren geringer Ordnung.

Literatur

  • E. Hairer, G. Wanner: Solving Ordinary Differential Equations II, Stiff problems, Springer Verlag.
  • E. Hairer, G. Wanner: Solving Ordinary Differential Equations II, Stiff and Differential-Algebraic Problems. Second Revised Edition, Springer Verlag.
  • K. Strehmel, R. Weiner, H. Podhaisky: Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen – Nichtsteife, steife und differential-algebraische Gleichungen. Springer Spektrum, 2012.