Rilievo Schiacciato

Abb. 1: Donatellos „Sankt Georg, der die Prinzessin befreit“ (1417; erstes bekanntes Rilievo Schiacciato)

Der Rilievo Schiacciato[Anm 1] ist eine Technik, bei der ein Bildhauer eine flache Reliefskulptur schafft.[1] Der Rilievo Schiacciato wird vor allem mit seinem „Renaissance-Erfinder“ Donatello (1386–1466) in Verbindung gebracht.

Technik und Geschichte

Die spezielle Technik des „Rilievo Schiacciato“ wurde mit Beginn der Renaissance (ab ca. 1400) von Donatello entwickelt, und mit dieser Bezeichnung (für das Material Stein) erstmals 1550 beschrieben[Anm 2]) (s. auch Abb. 1, 2 & 7).

Diese Technik wird aber inzwischen mit allen skulpturalen Materialien umgesetzt, sei es Stein, Stuck, Terracotta, Holz, Bronze, aber auch Keramik. Vorläufer sind antike Münz- und Grabmal-Techniken (s. Abb. 3), bei denen schon damals Flachrelief-Darstellungen verwendet wurden.

Um die Illusion von Raum zu erzeugen, nutzt ein Künstler hier die Tiefe eines Reliefs, von den am stärksten hervorstehenden Teilen der Figuren mit größter Plastizität bis zur Hintergrundebene, die oft nur zweidimensional ausgeführt wird. Die physische Tiefe kann nur wenige Zentimeter oder sogar Millimeter betragen und aus lediglich eingeritzten Linien oder winzigen Veränderungen der Ebene bestehen. In dieser Hinsicht ähnelt der „Relievo Schiacchiato“ eher einem zweidimensionalen Gemälde oder einer Zeichnung als einer dreidimensionalen Skulptur, auch wenn die Unterschneidung von Figuren oder Gegenständen im Vordergrund genutzt wird, um Plastizität zu gewinnen. Die Technik ermöglicht auch die Konstruktion einer grafischen Perspektive im Relief.[2]

Die „Dicke“ der hervortretenden Teile der Plastik kann vom Vordergrund zum Hintergrund und mit zunehmender Entfernung zum Betrachter allmählich abnehmen. Die unterschiedlichen Höhenabstufungen der Objekte werden jedoch nicht immer analog zu ihrer Position im dargestellten Raum übernommen, sondern die Abstufungen werden als Variationen von Licht und Schatten und nicht als plastische Volumina verwendet. Diese Konstruktion des Raumes in einer allmählich abnehmenden Abfolge von Ebenen von der vollen Plastizität bis zum reinen Flachrelief wurde von Donatellos Zeitgenossen Lorenzo Ghiberti (s. Abb. 4) konzipiert und u. a. von Luca della Robbia weitergeführt (s. Abb. 5, Abb. 6), und steht ein wenig im Gegensatz zu Donatellos Konzept des völligen Flachreliefs.[3]

  • Abb. 2 Donatello: „Himmelfahrt Christi mit Schlüsselübergabe an Petrus“ (1432)
    Abb. 2 Donatello: „Himmelfahrt Christi mit Schlüsselübergabe an Petrus“ (1432)
  • Abb. 3 Römisches Grabrelief (um 30 v. Chr)
    Abb. 3 Römisches Grabrelief (um 30 v. Chr)
  • Abb. 4 Lorenzo Ghiberti: „Paradiestür“, Baptisterium San Giovanni Florenz (1425–1452)
    Abb. 4 Lorenzo Ghiberti: „Paradiestür“, Baptisterium San Giovanni Florenz (1425–1452)
  • Abb. 5 Luca della Robbia: Teil der Cantoria im Dom zu Florenz (1440)
    Abb. 5 Luca della Robbia: Teil der Cantoria im Dom zu Florenz (1440)
  • Abb. 6 Luca della Robbia: Bildnis eines Knaben „San Giovannino“ (1500, Keramik)
    Abb. 6 Luca della Robbia: Bildnis eines Knaben „San Giovannino“ (1500, Keramik)
  • Abb. 7 Madonna della Scala (Michelangelo) (ca. 1491)
    Abb. 7 Madonna della Scala (Michelangelo) (ca. 1491)

Die heutige Situation

Der Relievo Schiacciato wird nach jahrhundertelanger und eher traditioneller Verwendung als Flachrelief (wie bei Grabsteinen, aber auch bei sakraler Holz- oder Steinplastik) neuerdings von etlichen Künstlern wieder bewusst als Ausdrucksmittel/Medium der Kunst verwendet, wie z. B. von Peter Niedertscheider (Steinbildhauerei, s. Abb. 9), u. v. a.

  • Abb. 8: Keramikrelief „St. Josef“, 2003, Ruth Meyer-Züllig[4]
    Abb. 8: Keramikrelief „St. Josef“, 2003, Ruth Meyer-Züllig[4]
  • Abb. 9: Steinrelief „Sommertag“, 2018, Peter Niedertscheider
    Abb. 9: Steinrelief „Sommertag“, 2018, Peter Niedertscheider
  • Abb. 10: Keramikrelief am Gebäude der ehemaligen Schleiss-Keramik, Gmunden (1935)
    Abb. 10: Keramikrelief am Gebäude der ehemaligen Schleiss-Keramik, Gmunden (1935)
  • Abb. 11: Keramikrelief „My Dog Sprint“, 1979, Ian Sprague[5]
    Abb. 11: Keramikrelief „My Dog Sprint“, 1979, Ian Sprague[5]
  • Abb. 13: Bronzerelief „Die Würde und Schönheit freier Menschen“, 1985, Margret Middell
    Abb. 13: Bronzerelief „Die Würde und Schönheit freier Menschen“, 1985, Margret Middell
  • Abb. 13: Holzrelief „Bauernkopf“, 1984, Anton Baumgartner
    Abb. 13: Holzrelief „Bauernkopf“, 1984, Anton Baumgartner

Literatur

  • Giorgio Vasari: Le vite de’ più eccellenti pittori, scultori e architettori: da Cimabue insino à tempi nostri, Florenz 1550: Lorenzo Torrentino, siehe die dt. Übersetzung: Lebensbeschreibungen der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Architekten der Renaissance. Nach Dokumenten und mündlichen Berichten dargestellt von Giorgio Vasari (Hrsg. von Ernst Jaffé), Leipzig etc. 2022: Dt. Nationalbibliothek (digitale Version der Ausgabe Berlin 1913: Julius Bard Verlag, Kap. X (Donatello)).
  • Andrea Niehaus: Florentiner Reliefkunst von Brunelleschi bis Michelangelo, München 1998: Deutscher Kunstverlag, ISBN 3-422-06222-X.
  • Roland Kanz: Linien Rahmen Körper. Albertis circonscrizione und Donatellos Konturschatten im rilievo schiacciato. In: Hans Körner (Hrsg.): Rahmen – zwischen innen und außen, Berlin 2010: Dietrich Reimer Verlag, ISBN 978-3-496-01421-8, S. 91–112.
Commons: Rilievo Schiacciato – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. dt. „gepresstes“ oder „abgeflachtes“ Relief; in Toskanisch auch als „Stiacciato“ bezeichnet.
  2. s. Giorgio Vasari (1550): „La terza spezie si chiamano bassi e stiacciati rilievi, i quali non hanno altro in sé ch'el disegno della figura, con amaccato e stiacciato rilievo. Sono difficili assai, atteso che è ci bisogna disegno grande et invenzione, avvenga che questi sono faticosi a dargli grazia per amore dè contorni. Et in questo genere ancora Donatello lavorò meglio d'ogni artefice con arte, disegno et invenzione. Di questa sorte se n'è visto nè vasi aretini assai figure, maschere et altre storie antiche, e similmente né cammei antichi e né conii da stampare le cose di bronzo per le medaglie e similmente nelle monete“ (dt. Übersetzung: „Die dritte Art [eines Reliefs] wird ‚flaches und gequetschtes Relief‘ genannt, die lediglich eine Zeichnung der Figur enthält, mit einem ‚verletzten‘ bzw. ‚gequetschten‘ Relief-Bild. Diese Reliefs sind sehr schwierig [zu erstellen], da umfassende Gestaltung und Erfindung erforderlich sind, und es ist schwierig, ihnen die nötige Anmut der Konturen zu geben. In diesem Genre arbeitete Donatello besser als jeder andere Künstler mit Kunst, Design und Erfindung. Hier haben wir viele Figuren, Masken und andere antike Formen, wie man in Vasen aus Arezzo sehen kann, und ähnlich sowohl in antiken Kameen als auch Münzen“, zit. aus Giorgio Vasari: Künstler der Renaissance. Lebensbeschreibungen der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Architekten der Renaissance (auf der Grundlage der ersten deutschen Übersetzung von Ludwig Schorn und Ernst Förster), Hamburg 2023: Nikol-Verlag, online

Einzelnachweise

  1. Erklärung in der Enciclopedia Treccani (italienisch) online, abgefragt am 24. Jänner 2024.
  2. Horst W. Janson: The Sculpture of Donatello (2 Bde.). Princeton 1957: Princeton University Press. S. 30–39 (Bd. 1).
  3. siehe: Richard Krautheimer/ Trude Krautheimer-Hess: Lorenzo Ghiberti, Princeton 1982 (2nd. Ausgabe, zuerst 1956): Princeton University Press (Princeton Monographs in Art and Archaeology. Bd. 31), S. 150–171.
  4. Infos zu Ruth Meyer-Züllig, abgefragt am 26. Jänner 2024.
  5. Infos zum australischen Keramiker Ian Sprague, abgefragt am 31. Jänner 2024.