Paul Schraermeyer

Paul Schraermeyer (* 20. Juni 1884 in Meyenburg; † 1955) war von 1924 bis 1945 Landrat des preußischen Landkreises Hechingen.

Leben

Paul Schraermeyer, Sohn eines Kaufmanns aus Brandenburg, studierte in Tübingen und Göttingen. Er trat als Jurist in den Staatsdienst ein.

In der nationalsozialistischen Zeit galt er für NSDAP-Kreise als ein dem Klerus zugeneigter schwarzer Reaktionär. Zum 1. Mai 1937 trat er in die NSDAP ein.[1] In der Reichspogromnacht 1938, als in Hechingen die Inneneinrichtung der dortigen Synagoge zerstört wurde, ordnete Landrat Schraermeyer auf Befehl der Gestapo Sigmaringen noch in derselben Nacht die Verhaftung von 15 „tunlichst reiche(n) Juden“ an;[2] fünf der Inhaftierten Hechinger Juden wurden in das KZ Dachau überführt.[3] 1947 musste er sich wegen der Deportation der Haigerlocher Juden am Landgericht Hechingen verantworten. Wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde er zu 27 Monaten Gefängnis verurteilt, jedoch bereits ein Jahr später im Revisionsverfahren freigesprochen.[4] Die französischen Besatzungsbehörden stellten aus diesem Anlass fest, dass der Prozess große Emotionen in der Bevölkerung auslöste und dass 90 % der Bevölkerung des Landkreises auf Seiten des Angeklagten stünden, für den die CDU und vor allem der Klerus sich propagandistisch einsetzten.[5]

Schraermeyer war Mitglied der katholischen Studentenverbindungen AV Guestfalia Tübingen und der AV Palatia Göttingen, beide im Cartellverband (CV).[6]

1929 bis 1933 war er Mitglied im Kommunallandtag der Hohenzollernschen Lande.

Literatur

  • LG Hechingen, 28. Juni 1947. In: Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945–1966, Bd. I, bearbeitet von Adelheid L. Rüter-Ehlermann, C. F. Rüter. Amsterdam: University Press, 1968, Nr. 22, S. 469–502 Mitwirkung an der Deportation von 290 Juden aus dem Landkreis Hechingen auf Befehl der Gestapo Stuttgart
    • auch: LG Tübingen, 12. August 1948. Freispruch
  • Frank Raberg: Franz Gog. Ein „hohenzollerischer“ Parlamentarier zwischen Bebenhausen und Stuttgart 1946–1953. Ein Beitrag zu seiner Biographie. In: Zeitschrift für hohenzollerische Geschichte. 32. Jg. 1996, S. 229–300, hier S. 255f.
  • Entnazifizierungsakten Paul Schraermeyer als digitale Reproduktion (Akte 1 und Akte 2) im Online-Angebot des Staatsarchivs Sigmaringen

Einzelnachweise

  1. Schwarzwälder Bote, 16. August 2011
  2. Zitiert nach: Manuel Werner: Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde. In: Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 107, Band 21 (1985), S. 152.
  3. Otto Werner: Synagogen und jüdischer Friedhof in Hechingen. Hechingen 1996, S. 192–203.
  4. Frank Raberg: Dr. Konrad Haug - Ein „unpolitischer“ Landesverwaltungsrat? In: Wolfgang Proske (Hrsg.): Täter Helfer Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus Baden-Württemberg, Band 4: NS-Belastete aus Oberschwaben. Gerstetten : Kugelberg, 2015 ISBN 978-3-945893-00-5, S. 131, Fn. 14
  5. NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit, Hrsg.: Jörg Osterloh und Clemens Vollnhals
  6. Michael Ruck: „Korpsgeist und Staatsbewusstsein: Beamte im deutschen Südwesten 1928 bis 1972“
Normdaten (Person): GND: 1083850083 (lobid, OGND, AKS) | VIAF: 96145663059105070625 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Schraermeyer, Paul
KURZBESCHREIBUNG deutscher Kommunalpolitiker
GEBURTSDATUM 20. Juni 1884
GEBURTSORT Meyenburg
STERBEDATUM 1955