Gelfand-Transformation

Die Gelfand-Transformation (nach Israel Gelfand) ist das wichtigste Instrument in der Theorie der kommutativen Banach-Algebren. Sie bildet eine kommutative C {\displaystyle \mathbb {C} } -Banachalgebra A in eine Algebra stetiger Funktionen ab. Jedem a {\displaystyle a} aus A {\displaystyle A} wird eine stetige Funktion a ^ : X C {\displaystyle {\hat {a}}\colon X\to {\mathbb {C} }} zugeordnet, wobei X {\displaystyle X} ein geeigneter lokalkompakter Hausdorff-Raum ist. Die Zuordnung a a ^ {\displaystyle a\mapsto {\hat {a}}} ist dabei ein stetiger Algebren-Homomorphismus.

Motivation, Gelfand-Raum

Betrachtet man eine kommutative C {\displaystyle \mathbb {C} } -Banachalgebra A {\displaystyle A} nur als normierten Raum mit Dualraum A {\displaystyle A'} und Bidualraum A = ( A ) {\displaystyle A''=(A')'} , so lassen sich die Elemente von A {\displaystyle A} folgendermaßen auf stetige Funktionen abbilden: Man ordne jedem a {\displaystyle a} die Funktion a ^ : A C , a ^ ( φ ) := φ ( a ) {\displaystyle {\hat {a}}\colon A'\rightarrow {\mathbb {C} },{\hat {a}}(\varphi ):=\varphi (a)} zu. Dabei handelt es sich um die bekannte isometrische Einbettung von A {\displaystyle A} in den Bidualraum, denn jedes a ^ {\displaystyle {\hat {a}}} ist ein Element aus A {\displaystyle A''} . Jedes a ^ {\displaystyle {\hat {a}}} ist auch stetig. Dabei erweist sich die Normtopologie als unnötig stark. Aus diesem Grunde betrachtet man auf A {\displaystyle A'} die schwach-*-Topologie, diese ist gerade definiert als die gröbste Topologie, die alle Abbildungen a ^ {\displaystyle {\hat {a}}} stetig macht.

Wenden wir uns wieder der Algebra A {\displaystyle A} zu, so müssen wir feststellen, dass die Zuordnung a a ^ {\displaystyle a\mapsto {\hat {a}}} kein Homomorphismus ist; sie ist nicht multiplikativ, d. h. es gilt nicht a b ^ = a ^ b ^ {\displaystyle {\widehat {ab}}={\hat {a}}{\hat {b}}} . Dazu müsste nämlich a b ^ ( φ ) = a ^ ( φ ) b ^ ( φ ) {\displaystyle {\widehat {ab}}(\varphi )={\hat {a}}(\varphi ){\hat {b}}(\varphi )} und damit φ ( a b ) = φ ( a ) φ ( b ) {\displaystyle \varphi (ab)=\varphi (a)\varphi (b)} für alle φ A {\displaystyle \varphi \in A'} gelten, aber ein lineares Funktional ist in der Regel nicht multiplikativ. Diese Beobachtung gibt aber einen Hinweis, wie man einen Homomorphismus der gewünschten Art konstruieren kann. Man verwendet statt ganz A {\displaystyle A'} nur die multiplikativen Funktionale in A {\displaystyle A'} , und genau das ist die Gelfand-Transformation.

Wir setzen daher X A := { φ A ; φ multiplikativ , φ 0 } {\displaystyle X_{A}:=\{\varphi \in A';\varphi \,{\text{multiplikativ}},\varphi \not =0\}} . Diese Menge nennt man das Spektrum (Gelfand-Spektrum) von A {\displaystyle A} oder auch den Gelfand-Raum von A {\displaystyle A} . Man beachte, dass der Nullhomomorphismus herausgenommen wurde. Es gibt Banach-Algebren mit leerem Spektrum, z. B. eine Banachalgebra A {\displaystyle A} mit der Nullmultiplikation, d. h. a b = 0 {\displaystyle a\cdot b=0} für alle a , b A {\displaystyle a,b\in A} . Ist aber X A {\displaystyle X_{A}\not =\emptyset } , so kann man zeigen, dass X A {\displaystyle X_{A}} mit der relativen schwach-*-Topologie ein lokalkompakter Hausdorff-Raum ist. Nach obigen Ausführungen ist

G : A C 0 ( X A ) , a a ^ , a ^ ( φ ) = φ ( a ) {\displaystyle {\mathcal {G}}:A\rightarrow C_{0}(X_{A}),\,a\mapsto {\hat {a}},\,{\hat {a}}(\varphi )=\varphi (a)}

ein stetiger Homomorphismus mit Norm 1 {\displaystyle \leq 1} . C 0 ( X A ) {\displaystyle C_{0}(X_{A})} ist dabei die Algebra der stetigen, komplexwertigen Funktionen auf X A {\displaystyle X_{A}} , die im Unendlichen verschwinden. Dieser Homomorphismus heißt Gelfand-Transformation, a ^ {\displaystyle {\hat {a}}} nennt man die Gelfand-Transformierte von a {\displaystyle a} .

Beispiel C0(Z)

Sei Z ein lokalkompakter Hausdorffraum und A = C 0 ( Z ) {\displaystyle A=C_{0}(Z)} , so ist A bereits eine Algebra von der Art, auf die die Gelfand-Transformation abbildet. Um die Gelfand-Transformation für diesen Fall zu bestimmen, müssen wir uns einen Überblick über die multiplikativen Funktionale auf A {\displaystyle A} verschaffen. Ist z Z {\displaystyle z\in Z} , so ist die Punktauswertung δ z : A C , δ z ( f ) := f ( z ) {\displaystyle \delta _{z}:A\rightarrow {\mathbb {C} },\,\delta _{z}(f):=f(z)} offenbar ein multiplikatives Funktional, und man kann zeigen, dass dies bereits alle sind, d. h., dass X A = { δ z ; z Z } {\displaystyle X_{A}=\{\delta _{z};z\in Z\}} gilt. Z kann also mittels der Abbildung z δ z {\displaystyle z\mapsto \delta _{z}} mit X A {\displaystyle X_{A}} identifiziert werden, zumindest als Menge. Man kann zeigen, dass diese Abbildung sogar ein Homöomorphismus ist, so dass man Z und X A {\displaystyle X_{A}} auch als topologische Räume identifizieren kann. In diesem Fall ist also G : A C 0 ( X A ) = C 0 ( Z ) {\displaystyle {\mathcal {G}}:A\rightarrow C_{0}(X_{A})=C_{0}(Z)} nichts weiter als die Identität. Für A = C 0 ( Z ) {\displaystyle A=C_{0}(Z)} bietet die Gelfand-Transformation nichts Neues.

Beispiel L1(ℝ)

Der Banachraum A = L 1 ( R ) {\displaystyle A=L^{1}(\mathbb {R} )} ist mit der Faltung als Multiplikation und der 1-Norm eine kommutative C {\displaystyle \mathbb {C} } -Banachalgebra. Für f , g L 1 ( R ) {\displaystyle f,g\in L^{1}(\mathbb {R} )} gilt dabei

f g ( t ) := f ( s ) g ( t s ) d s {\displaystyle f*g(t):=\int _{-\infty }^{\infty }f(s)g(t-s)\mathrm {d} s}
f 1 = | f ( s ) | d s {\displaystyle \|f\|_{1}=\int _{-\infty }^{\infty }|f(s)|\mathrm {d} s}

Wie sehen die multiplikativen Funktionale auf A {\displaystyle A} aus? Die Punktauswertungen des C 0 ( Z ) {\displaystyle C_{0}(Z)} -Beispiels kommen nicht in Frage, denn für L 1 {\displaystyle L^{1}} -Funktionen ist der Funktionswert an einer Stelle gar nicht definiert. Man kann zeigen, dass für z R {\displaystyle z\in {\mathbb {R} }} durch

φ z ( f ) := f ( t ) e i t z d t {\displaystyle \varphi _{z}(f):=\int _{-\infty }^{\infty }f(t)e^{-itz}\mathrm {d} t}

ein multiplikatives Funktional auf A = L 1 ( R ) {\displaystyle A=L^{1}(\mathbb {R} )} erklärt ist, und dass umgekehrt jedes multiplikative Funktional von dieser Form ist. Es gilt also X A = { φ z ; z R } {\displaystyle X_{A}=\{\varphi _{z};z\in \mathbb {R} \}} und man kann weiter zeigen, dass die Abbildung z φ z {\displaystyle z\mapsto \varphi _{z}} ein Homöomorphismus von R {\displaystyle \mathbb {R} } auf X A {\displaystyle X_{A}} ist. Identifiziert man daher R {\displaystyle {\mathbb {R} }} und X A {\displaystyle X_{A}} mittels dieser Abbildung, so hat die Gelfand-Transformation die Gestalt:

G : L 1 ( R ) C 0 ( R ) , f f ^ , f ^ ( z ) = f ( t ) e i t z d t {\displaystyle {\mathcal {G}}:L^{1}(\mathbb {R} )\rightarrow C_{0}(\mathbb {R} ),\,f\mapsto {\hat {f}},\,{\hat {f}}(z)=\int _{-\infty }^{\infty }f(t)e^{-itz}\mathrm {d} t} .

Die Gelfand-Transformation erweist sich damit als eine Abstraktion der Fourier-Transformation.

Beispiel 'holomorphe Fortsetzung'

Es sei Z {\displaystyle Z} die Kreislinie { z C ; | z | = 1 } {\displaystyle \{z\in \mathbb {C} ;|z|=1\}} . Dann ist C 0 ( Z ) {\displaystyle C_{0}(Z)} eine kommutative Banachalgebra mit 1. Sei A {\displaystyle A} die Diskalgebra, das heißt die Unteralgebra aller Funktionen, die eine holomorphe Fortsetzung ins Innere { z C ; | z | < 1 } {\displaystyle \{z\in \mathbb {C} ;|z|<1\}} besitzen. Mit ein wenig Funktionentheorie (Maximumprinzip) zeigt man, dass A {\displaystyle A} eine Unter-Banachalgebra von C 0 ( Z ) {\displaystyle C_{0}(Z)} ist. Wie sehen die multiplikativen Funktionale auf A {\displaystyle A} aus? Zunächst sind die Punktauswertungen δ z , | z | = 1 {\displaystyle \delta _{z},|z|=1} , die ja schon multiplikative Funktionale auf C 0 ( Z ) {\displaystyle C_{0}(Z)} sind, natürlich auch multiplikative Funktionale auf A {\displaystyle A} . Es gibt aber weitere. Da die holomorphe Fortsetzung einer Funktion ins Innere eindeutig ist, sind auch alle Punktauswertungen δ z , | z | < 1 {\displaystyle \delta _{z},|z|<1} , multiplikative Funktionale auf A {\displaystyle A} . Man zeigt, dass X A = { δ z ; | z | 1 } {\displaystyle X_{A}=\{\delta _{z};|z|\leq 1\}} und dass man X A {\displaystyle X_{A}} mittels z δ z {\displaystyle z\mapsto \delta _{z}} auch topologisch mit der Kreisfläche K = { z C ; | z | 1 } {\displaystyle K=\{z\in \mathbb {C} ;|z|\leq 1\}} identifizieren kann. In diesem Beispiel ist daher

G : A C 0 ( K ) , f f ^ , f ^ = {\displaystyle {\mathcal {G}}\colon A\rightarrow C_{0}(K),\,f\mapsto {\hat {f}},\,{\hat {f}}=} holomorphe Fortsetzung von f {\displaystyle f} ,

d. h. die Gelfand-Transformation spielt hier die Rolle eines Fortsetzungsoperators.

Bedeutung

Ist A {\displaystyle A} eine kommutative C*-Algebra, so ist die Gelfand-Transformation der isometrische Isomorphismus aus dem Satz von Gelfand-Neumark für kommutative C*-Algebren. Das ist der Ausgangspunkt der Spektraltheorie.

Das L 1 ( R ) {\displaystyle L^{1}({\mathbb {R} })} -Beispiel verallgemeinert sich auf lokalkompakte, abelsche Gruppen G {\displaystyle G} . Der Gelfand-Raum von L 1 ( G ) {\displaystyle L^{1}(G)} wird mit G ^ {\displaystyle {\hat {G}}} bezeichnet und kann wieder mit einer Gruppenstruktur versehen werden. Man nennt G ^ {\displaystyle {\hat {G}}} dann die Dualgruppe von G {\displaystyle G} . Das ist ein Ausgangspunkt der abstrakten harmonischen Analyse.

Die Stone-Čech-Kompaktifizierung eines vollständig regulären Hausdorffraums X {\displaystyle X} kann als Anwendung der Gelfand-Transformation auf die kommutative C*-Algebra C b ( X ) {\displaystyle C_{b}(X)} der stetigen und beschränkten Funktionen auf X {\displaystyle X} erhalten werden.

Der Kern der Gelfand-Transformation ist im Falle einer kommutativen Banachalgebra das Jacobson-Radikal, insbesondere ist das Jacobson-Radikal stets abgeschlossen. Hier zeigt sich wieder, wie algebraische und topologische Begriffe in der Theorie der Banachalgebren ineinandergreifen.

Literatur