Ganzes Element

Im mathematischen Teilgebiet der kommutativen Algebra ist der Begriff eines ganzen Elementes in einer Ringerweiterung eine Verallgemeinerung des Begriffes eines algebraischen Elementes in einer Körpererweiterung.

Definition

Es sei A {\displaystyle A} ein Ring und B {\displaystyle B} eine A {\displaystyle A} -Algebra. Dann heißt ein Element b B {\displaystyle b\in B} ganz über A {\displaystyle A} , wenn es ein Polynom p A [ X ] { 0 } {\displaystyle p\in A[X]\setminus \{0\}} mit Leitkoeffizient 1 gibt, so dass p ( b ) = 0 {\displaystyle p(b)=0} gilt, also wenn es ein n N {\displaystyle n\in \mathbb {N} } und Koeffizienten a 0 , a 1 , , a n 1 A {\displaystyle a_{0},a_{1},\dotsc ,a_{n-1}\in A} gibt mit

b n + a n 1 b n 1 + + a 1 b + a 0 = 0 {\displaystyle b^{n}+a_{n-1}b^{n-1}+\dots +a_{1}b+a_{0}=0} .

Die Menge der über A {\displaystyle A} ganzen Elemente von B {\displaystyle B} heißt der ganze Abschluss von A {\displaystyle A} in B {\displaystyle B} .

Falls der ganze Abschluss von A {\displaystyle A} in B {\displaystyle B} mit A {\displaystyle A} übereinstimmt, heißt A {\displaystyle A} ganz abgeschlossen in B {\displaystyle B} . Stimmt der ganze Abschluss von A {\displaystyle A} in B {\displaystyle B} jedoch mit B {\displaystyle B} überein, ist also jedes Element von B {\displaystyle B} ganz über A {\displaystyle A} , so heißt B {\displaystyle B} ganz über A {\displaystyle A} .

Beispiele

  • Ist A B {\displaystyle A\subseteq B} eine Ringerweiterung, dann ist B {\displaystyle B} insbesondere eine A {\displaystyle A} -Algebra. Ist B {\displaystyle B} ganz über A {\displaystyle A} , so spricht man von einer ganzen Ringerweiterung.
  • Ein Integritätsring, der ganz abgeschlossen in seinem Quotientenkörper ist, wird als normaler Ring bezeichnet.
  • Der ganze Abschluss der ganzen Zahlen in einem algebraischen Zahlkörper K {\displaystyle K} wird als der Ganzheitsring O K {\displaystyle {\mathcal {O}}_{K}} von K {\displaystyle K} bezeichnet.
  • Ist A = Z {\displaystyle A=\mathbb {Z} } und K = Q ( 5 ) {\displaystyle K=\mathbb {Q} {\big (}{\sqrt {5}}{\big )}} , so ist der ganze Abschluss von A {\displaystyle A} in K {\displaystyle K} gegeben als
O K = Z [ 1 + 5 2 ] . {\displaystyle {\mathcal {O}}_{K}=\mathbb {Z} \!\left[{\frac {1+{\sqrt {5}}}{2}}\right].}

Charakterisierung ganzer Elemente in Ringerweiterungen

Sei A B {\displaystyle A\subseteq B} eine Ringerweiterung, x B {\displaystyle x\in B} . Dann sind äquivalent:[1]

  • x {\displaystyle x} ist ganz über A {\displaystyle A} ,
  • A [ x ] {\displaystyle A[x]} ist als A {\displaystyle A} -Modul endlich erzeugt,
  • es gibt einen Teilring C B {\displaystyle C\subseteq B} , sodass A [ x ] C {\displaystyle A[x]\subseteq C} und C {\displaystyle C} als A {\displaystyle A} -Modul endlich erzeugt ist.

Eigenschaften

  • Der ganze Abschluss von A {\displaystyle A} in B {\displaystyle B} ist eine A {\displaystyle A} -Unteralgebra von B {\displaystyle B} .
  • Ganzheit ist eine transitive Relation. Genauer gilt für eine Ringerweiterung A B C {\displaystyle A\subseteq B\subseteq C} , dass C {\displaystyle C} genau dann ganz über A {\displaystyle A} ist, wenn B {\displaystyle B} ganz über A {\displaystyle A} und C {\displaystyle C} ganz über B {\displaystyle B} ist.[2]
  • Eine A {\displaystyle A} -Algebra B {\displaystyle B} ist genau dann endlich, wenn sie endlich erzeugt und ganz ist.[3]
  • Sei A B {\displaystyle A\subseteq B} eine Ringerweiterung, C {\displaystyle C} der ganze Abschluss von A {\displaystyle A} in B {\displaystyle B} und S A {\displaystyle S\subseteq A} eine multiplikativ abgeschlossene Teilmenge. Dann ist auch S 1 C {\displaystyle S^{-1}C} der ganze Abschluss von S 1 A {\displaystyle S^{-1}A} in S 1 B {\displaystyle S^{-1}B} , wobei mit S 1 {\displaystyle S^{-1}} die Lokalisierung nach der Menge S {\displaystyle S} bezeichnet.[4]
  • Ganzabgeschlossenheit ist eine lokale Eigenschaft.
  • Sei A B {\displaystyle A\subseteq B} eine ganze Ringerweiterung und B {\displaystyle B} nullteilerfrei. Dann ist A {\displaystyle A} genau dann ein Körper, wenn B {\displaystyle B} ein Körper ist.[5]
  • Ist A B {\displaystyle A\subseteq B} eine ganze Ringerweiterung. Dann gibt es einen Zusammenhang zwischen Primidealketten in B {\displaystyle B} und darunterliegenden Primidealketten in A {\displaystyle A} . Dies ist die Aussage der Sätze von Cohen-Seidenberg.
  • Falls A {\displaystyle A} ein Unterring des Körpers K {\displaystyle K} ist, dann ist der ganze Abschluss von A {\displaystyle A} in K {\displaystyle K} der Durchschnitt aller Bewertungsringe von K {\displaystyle K} die A {\displaystyle A} enthalten.[6]

Literatur

  • M.F. Atiyah und I.G. MacDonald: Introduction to Commutative Algebra. Addison-Wesley Series in Mathematics, 1969, Chapter 5, ISBN 0-201-00361-9

Einzelnachweise

  1. M.F. Atiyah und I.G. MacDonald: Introduction to Commutative Algebra. Addison-Wesley Series in Mathematics, 1969, Proposition 5.1.
  2. M.F. Atiyah und I.G. MacDonald: Introduction to Commutative Algebra. Addison-Wesley Series in Mathematics, 1969, Korollar 5.4.
  3. M.F. Atiyah und I.G. MacDonald: Introduction to Commutative Algebra. Addison-Wesley Series in Mathematics, 1969, S. 60
  4. M.F. Atiyah und I.G. MacDonald: Introduction to Commutative Algebra. Addison-Wesley Series in Mathematics, 1969, Proposition 5.6.
  5. M.F. Atiyah und I.G. MacDonald: Introduction to Commutative Algebra. Addison-Wesley Series in Mathematics, 1969, Proposition 5.7.
  6. M.F. Atiyah und I.G. MacDonald: Introduction to Commutative Algebra. Addison-Wesley Series in Mathematics, 1969, Korollar 5.22.