Euler-Klasse

In der Mathematik, genauer in der algebraischen Topologie und in der Differentialgeometrie und -topologie, ist die Euler-Klasse ein spezieller Typ von charakteristischen Klassen, die orientierbaren reellen Vektorbündeln zugeordnet wird. Sie wird nach Leonhard Euler benannt, weil sie im Fall des Tangentialbündels einer Mannigfaltigkeit deren Euler-Charakteristik bestimmt.

Sie kann auf unterschiedliche (äquivalente) Weisen definiert werden: als Hindernis für die Existenz eines Schnittes ohne Nullstellen, als Pull-Back der Orientierungsklasse unter einem Schnitt oder als Bild der Pfaffschen Determinante unter dem Chern-Weil-Isomorphismus. Im Fall flacher Bündel gibt es weitere äquivalente Definitionen.

Grundidee und Motivation

Die Euler-Klasse ist eine charakteristische Klasse, also eine topologische Invariante von orientierten Vektorbündeln: zwei isomorphe orientierte Vektorbündel haben dieselben Euler-Klassen. Im Falle differenzierbarer Mannigfaltigkeiten bestimmt die Euler-Klasse des Tangentialbündels die Euler-Charakteristik der Mannigfaltigkeit.

Die Euler-Klasse liefert ein Hindernis für die Existenz eines Schnittes ohne Nullstellen. Insbesondere liefert die Euler-Charakteristik einer geschlossenen, orientierbaren, differenzierbaren Mannigfaltigkeit ein Hindernis für die Existenz eines Vektorfeldes ohne Singularitäten.

Für einen auf einer Teilmenge des Basis-Raumes definierten nullstellenfreien Schnitt kann man eine relative Euler-Klasse definieren, diese liefert ein Hindernis für die Fortsetzbarkeit des Schnittes ohne Nullstellen auf die gesamte Basis.

Axiome

Die (relative) Euler-Klasse wird durch folgende Axiome festgelegt.

Jedem orientierten, n {\displaystyle n} -dimensionalen reellen Vektorbündel E X {\displaystyle E\to X} mit einem nirgendwo verschwindenden Schnitt s : Y E {\displaystyle s\colon Y\to E} auf einer (möglicherweise leeren) Teilmenge Y X {\displaystyle Y\subset X} wird ein Element

e ( E , s ) H n ( X , Y ; Z ) {\displaystyle e(E,s)\in H^{n}(X,Y;\mathbb {Z} )}

(bzw. e ( E ) H n ( X ; Z ) {\displaystyle e(E)\in H^{n}(X;\mathbb {Z} )} falls Y = {\displaystyle Y=\emptyset } ) zugeordnet, so dass

  • für jede stetige Abbildung f : ( X , Y ) ( X , Y ) {\displaystyle f\colon (X^{\prime },Y^{\prime })\to (X,Y)} gilt e ( f E , f s ) = f ( e ( E , s ) ) {\displaystyle e(f^{*}E,f^{*}s)=f^{*}(e(E,s))}
  • e ( E 1 E 2 , s 0 ) = e ( E 1 , s ) e ( E 2 ) {\displaystyle e(E_{1}\oplus E_{2},s\oplus 0)=e(E_{1},s)\cup e(E_{2})}
  • für das tautologische komplexe Geradenbündel γ 1 C P 1 {\displaystyle \gamma ^{1}\to \mathbb {C} P^{1}} , aufgefasst als 2-dimensionales reelles Vektorbündel, ist e ( γ 1 ) H 2 ( C P 1 ; Z ) {\displaystyle e(\gamma ^{1})\in H^{2}(\mathbb {C} P^{1};\mathbb {Z} )} ein Erzeuger von H 2 ( C P 1 ; Z ) Z {\displaystyle H^{2}(\mathbb {C} P^{1};\mathbb {Z} )\simeq \mathbb {Z} } .

e ( E ) H n ( X ; Z ) {\displaystyle e(E)\in H^{n}(X;\mathbb {Z} )} heißt die Euler-Klasse des Bündels E {\displaystyle E} , e ( E , s ) H n ( X , Y ; Z ) {\displaystyle e(E,s)\in H^{n}(X,Y;\mathbb {Z} )} heißt die relative Euler-Klasse relativ zum Schnitt s {\displaystyle s} .

Definition als Obstruktionsklasse

Für ein n {\displaystyle n} -dimensionales orientiertes Vektorbündel E | K | {\displaystyle E\to \vert K\vert } über der geometrischen Realisierung | K | {\displaystyle \vert K\vert } eines Simplizialkomplexes K {\displaystyle K} erhält man mittels Obstruktionstheorie die Obstruktionsklasse

o n ( E ) H n ( K ; π n 1 ( V 1 ( R n ) ) {\displaystyle o_{n}(E)\in H^{n}(K;\pi _{n-1}(V_{1}(\mathbb {R} ^{n}))}

für die Fortsetzung eines Schnittes im assoziierten Vektorbündel auf das n {\displaystyle n} -Skelett von K {\displaystyle K} .

Die Koeffizientengruppe

π n 1 ( V 1 ( R n ) ) π n 1 ( R n 0 ) H n 1 ( R n 0 ; Z ) H n ( R n , R n 0 ; Z ) {\displaystyle \pi _{n-1}(V_{1}(\mathbb {R} ^{n}))\simeq \pi _{n-1}(\mathbb {R} ^{n}-0)\simeq H_{n-1}(\mathbb {R} ^{n}-0;\mathbb {Z} )\simeq H_{n}(\mathbb {R} ^{n},\mathbb {R} ^{n}-0;\mathbb {Z} )}

ist (durch die Orientierung) kanonisch isomorph zu Z {\displaystyle \mathbb {Z} } und dieser Isomorphismus bildet o n ( E ) {\displaystyle o_{n}(E)} auf die Euler-Klasse e ( E ) H n ( K ; Z ) {\displaystyle e(E)\in H^{n}(K;\mathbb {Z} )} ab.[1]

Definition mittels Orientierungsklasse

Für ein orientiertes n {\displaystyle n} -dimensionales Vektorbündel p : E M {\displaystyle p\colon E\to M} und E 0 E {\displaystyle E_{0}\subset E} das Komplement des Null-Schnitts betrachten wir das Bild u E {\displaystyle u\mid _{E}} der Orientierungsklasse (Thom-Klasse)

u H n ( E , E 0 ; Z ) {\displaystyle u\in H^{n}(E,E_{0};\mathbb {Z} )}

in H n ( E ; Z ) {\displaystyle H^{n}(E;\mathbb {Z} )} . Weil R n {\displaystyle \mathbb {R} ^{n}} kontrahierbar ist, ist p : E M {\displaystyle p\colon E\to M} eine Homotopieäquivalenz und

p : H ( M ; Z ) H ( E ; Z ) {\displaystyle p^{*}\colon H^{*}(M;\mathbb {Z} )\to H^{*}(E;\mathbb {Z} )}

ein Isomorphismus. Die Euler-Klasse ist definiert durch

e ( E ) := ( p ) 1 u E H n ( M ; Z ) {\displaystyle e(E):=(p^{*})^{-1}u\mid _{E}\in H^{n}(M;\mathbb {Z} )} .

Äquivalent kann man e ( E ) {\displaystyle e(E)} durch

e ( E ) := s u E {\displaystyle e(E):=s^{*}u\mid _{E}}

für einen beliebigen Schnitt (zum Beispiel den Nullschnitt) s : M E {\displaystyle s\colon M\to E} definieren.

Falls E M {\displaystyle E\to M} einen Schnitt ohne Nullstellen hat, also s ( M ) E 0 {\displaystyle s(M)\subset E_{0}} gilt, folgt daraus e ( E ) = 0 {\displaystyle e(E)=0} .

Relative Euler-Klasse: Falls ein Schnitt ohne Nullstellen s 0 : Y E {\displaystyle s_{0}\colon Y\to E} auf einer Teilmenge Y M {\displaystyle Y\subset M} gegeben ist, dann kann man ihn zu einem Schnitt (evtl. mit Nullstellen) s : ( M , Y ) ( E , E 0 ) {\displaystyle s\colon (M,Y)\to (E,E_{0})} fortsetzen und definiert dann

e ( E , s 0 ) := s u H n ( M , Y ; Z ) {\displaystyle e(E,s_{0}):=s^{*}u\in H^{n}(M,Y;\mathbb {Z} )} .

Definition über Chern-Weil-Theorie

Wir betrachten Vektorbündel über einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit M {\displaystyle M} . Die Konstruktion mittels Chern-Weil-Theorie liefert (nur) das Bild der Euler-Klasse in H ( M ; R ) {\displaystyle H^{*}(M;\mathbb {R} )} bzw. der relativen Euler-Klasse in H ( M , Y ; R ) {\displaystyle H^{*}(M,Y;\mathbb {R} )} , insbesondere liefert sie die Nullklasse für Vektorbündel ungerader Dimension.

Für ein orientiertes Vektorbündel der Dimension n = 2 k {\displaystyle n=2k} betrachtet man das assoziierte S O ( 2 k ) {\displaystyle SO(2k)} -Prinzipalbündel (das Rahmenbündel) P M {\displaystyle P\to M} .

Für ein S O ( 2 k ) {\displaystyle SO(2k)} -Prinzipalbündel P M {\displaystyle P\to M} mit einer Zusammenhangsform ω Ω 1 ( P , s o ( 2 k ) ) {\displaystyle \omega \in \Omega ^{1}(P,so(2k))} ist die Euler-Klasse e ( P ) H d R 2 k ( M ) H 2 k ( M ; R ) {\displaystyle e(P)\in H_{dR}^{2k}(M)\simeq H^{2k}(M;\mathbb {R} )} das Bild der durch

P f ( A , , A ) = 1 2 k k ! σ S 2 k s i g n ( σ ) a σ ( 1 ) σ ( 2 ) a σ ( 2 k 1 ) σ ( 2 k ) {\displaystyle Pf(A,\ldots ,A)={\frac {1}{2^{k}k!}}\sum _{\sigma \in S_{2k}}sign(\sigma )a_{\sigma (1)\sigma (2)}\ldots a_{\sigma (2k-1)\sigma (2k)}}

definierten Pfaffschen Determinante P f I n ( s o ( 2 k ) ) {\displaystyle Pf\in I^{n}(so(2k))} unter dem Chern-Weil-Homomorphismus

I k ( s o ( 2 k ) ) H d R 2 k ( M ) {\displaystyle I^{k}(so(2k))\to H_{dR}^{2k}(M)} ,

also die von der mit Hilfe der Krümmungsform Ω Ω 2 ( M ) {\displaystyle \Omega \in \Omega ^{2}(M)} des Prinzipalbündels definierten Differentialform

1 2 k π 2 k P f ( Ω ) ( X 1 , , X 2 k ) := 1 ( 2 π ) 2 k 1 ( k ) ! σ S 2 k sign ( σ ) P f ( Ω ( X σ ( 1 ) , X σ ( 2 ) ) , , Ω ( X σ ( 2 k 1 ) , X σ ( 2 k ) ) ) {\displaystyle {\frac {1}{2^{k}\pi ^{2k}}}Pf(\Omega )(X_{1},\dots ,X_{2k}):={\frac {1}{(2\pi )^{2k}}}{\frac {1}{(k)!}}\sum _{\sigma \in {\mathfrak {S}}_{2k}}\operatorname {sign} (\sigma )Pf(\Omega (X_{\sigma (1)},X_{\sigma (2)}),\dots ,\Omega (X_{\sigma (2k-1)},X_{\sigma (2k)}))}

repräsentierte De-Rham-Kohomologie-Klasse. Man kann zeigen, dass die Euler-Klasse nicht von der Wahl der Zusammenhangsform Ω {\displaystyle \Omega } abhängt und dass sie im Bild von H 2 k ( M ; Z ) {\displaystyle H^{2k}(M;\mathbb {Z} )} liegt.

Die Übereinstimmung der so definierten Euler-Klasse mit der oben topologisch definierten ist der Inhalt des 1943 von Allendoerfer und Weil (und mit einem intrinsischen Beweis 1944 von Chern) bewiesenen verallgemeinerten Satzes von Gauß-Bonnet.[2]

Relative Euler-Klasse:[3] Es sei s : Y E {\displaystyle s\colon Y\to E} ein Schnitt ohne Nullstellen über einer Untermannigfaltigkeit Y M {\displaystyle Y\subset M} . (Wir nehmen an, dass sich der Schnitt auf eine offene Umgebung von Y {\displaystyle Y} fortsetzen lässt.) Dann gibt es eine Zusammenhangsform ω {\displaystyle \omega } , deren Krümmungsform P f ( Ω ) Y 0 {\displaystyle Pf(\Omega )\mid _{Y}\equiv 0} erfüllt. Insbesondere definiert P f ( Ω ) {\displaystyle Pf(\Omega )} eine relative Kohomologieklasse e ( E , s ) H 2 k ( M , Y ; Z ) {\displaystyle e(E,s)\in H^{2k}(M,Y;\mathbb {Z} )} .

Euler-Klasse von SL(n,R)-Prinzipalbündeln

Unter den Isomorphismen

I k ( s o ( 2 k ) ) H 2 k ( B S O ( 2 k ) ) H 2 k ( B S L ( 2 k , R ) ) {\displaystyle I^{k}(so(2k))\simeq H^{2k}(BSO(2k))\simeq H^{2k}(BSL(2k,\mathbb {R} ))}

entspricht die Pfaffsche Determinante einer Kohomologieklasse e ( γ 2 k ) {\displaystyle e(\gamma ^{2k})} in der Kohomologie des klassifizierenden Raumes B S L ( 2 k , R ) {\displaystyle BSL(2k,\mathbb {R} )} , der Euler-Klasse des universellen Bündels γ 2 k B S L ( 2 k , R ) {\displaystyle \gamma ^{2k}\to BSL(2k,\mathbb {R} )} . Zu jedem S L ( 2 k , R ) {\displaystyle SL(2k,\mathbb {R} )} -Bündel P M {\displaystyle P\to M} kann man also mittels der klassifizierenden Abbildung f : M B S L ( 2 k , R ) {\displaystyle f\colon M\to BSL(2k,\mathbb {R} )} die Euler-Klasse

e ( P ) := f ( e ( γ 2 k ) ) H 2 k ( M ) {\displaystyle e(P):=f^{*}(e(\gamma ^{2k}))\in H^{2k}(M)}

definieren. Diese stimmt mit der Euler-Klasse des assoziierten Vektorbündels überein.

Euler-Klasse von Sphärenbündeln

Die Euler-Klasse kann für beliebige Sphärenbündel definiert werden.[4]

Im Fall des Einheitssphärenbündels eines Riemannschen Vektorbündels erhält man die oben definierte Euler-Klasse des Vektorbündels.

Eigenschaften

  • Der kanonische Homomorphismus H n ( X ; Z ) H n ( X ; Z / 2 Z ) {\displaystyle H^{n}(X;\mathbb {Z} )\to H^{n}(X;\mathbb {Z} /2\mathbb {Z} )} bildet die Euler-Klasse auf die n-te Stiefel-Whitney-Klasse w n H n ( X ; Z / 2 Z ) {\displaystyle w_{n}\in H^{n}(X;\mathbb {Z} /2\mathbb {Z} )} ab.
  • Das Cup-Produkt e ( E ) e ( E ) {\displaystyle e(E)\cup e(E)} ist die höchste Pontrjagin-Klasse p n H 2 n ( X ; Z ) {\displaystyle p_{n}\in H^{2n}(X;\mathbb {Z} )} .
  • Für geschlossene, orientierbare, differenzierbare Mannigfaltigkeiten M {\displaystyle M} mit Tangentialbündel T M {\displaystyle TM} und Fundamentalklasse [ M ] {\displaystyle \left[M\right]} ist e ( T M ) , [ M ] = χ ( M ) {\displaystyle \langle e(TM),\left[M\right]\rangle =\chi (M)} die Euler-Charakteristik von M {\displaystyle M} .
  • Es sei E ¯ {\displaystyle {\overline {E}}} das Vektorbündel E {\displaystyle E} mit der umgekehrten Orientierung, dann ist e ( E ¯ ) = e ( E ) {\displaystyle e({\overline {E}})=-e(E)} .
  • Insbesondere gilt für Vektorbūndel ungerader Dimension 2 e ( E ) = 0 {\displaystyle 2e(E)=0} . Für geschlossene, orientierbare, differenzierbare Mannigfaltigkeiten ungerader Dimension verschwindet die Euler-Charakteristik.
  • Für die Whitney-Summe und das kartesische Produkt von Vektorbündeln gilt
    e ( E 1 E 2 ) = e ( E 1 ) e ( E 2 ) , e ( E 1 × E 2 ) = e ( E 1 ) × e ( E 2 ) , {\displaystyle e(E_{1}\oplus E_{2})=e(E_{1})\cup e(E_{2}),e(E_{1}\times E_{2})=e(E_{1})\times e(E_{2}),}
    wobei {\displaystyle \cup } das Cup-Produkt und × {\displaystyle \times } das Kreuzprodukt bezeichnet.
  • Für einen generischen Schnitt s : M E {\displaystyle s\colon M\to E} eines n {\displaystyle n} -dimensionalen orientierten Vektorbündels über einer m {\displaystyle m} -dimensionalen geschlossenen orientierbaren Mannigfaltigkeit M {\displaystyle M} ist das Bild der Fundamentalklasse [ Z ] {\displaystyle \left[Z\right]} der Nullstellenmenge Z = { x X : s ( x ) = 0 } {\displaystyle Z=\left\{x\in X:s(x)=0\right\}} in H m n ( M ; Z ) {\displaystyle H_{m-n}(M;\mathbb {Z} )} das Poincaré-Dual von e ( E ) H n ( M ; Z ) {\displaystyle e(E)\in H^{n}(M;\mathbb {Z} )} . Im Fall des Tangentialbündels E = T M {\displaystyle E=TM} ergibt sich daraus der Satz von Poincaré-Hopf.
  • Wenn N Y {\displaystyle N_{Y}} das Normalenbündel einer geschlossenen orientierbaren Untermannigfaltigkeit Y M {\displaystyle Y\subset M} ist, dann ist < e ( N Y ) , [ Y ] > {\displaystyle <e(N_{Y}),\left[Y\right]>} die Selbstschnittzahl von Y {\displaystyle Y} .
  • Wenn s : X E {\displaystyle s\colon X\to E} ein Schnitt ohne Nullstellen ist, dann ist e ( E , s | Y ) = 0 H n ( X , Y ; Z ) {\displaystyle e(E,s\vert _{Y})=0\in H^{n}(X,Y;\mathbb {Z} )} für alle Y X {\displaystyle Y\subset X} .
  • Gysin-Sequenz: Für ein n {\displaystyle n} -dimensionales orientiertes Vektorbündel E B {\displaystyle E\to B} (mit E 0 E {\displaystyle E_{0}\subset E} die Menge der von Null verschiedenen Vektoren) vermittelt das Cup-Produkt mit der Euler-Klasse eine exakte Sequenz
    H i ( B ; Z ) H i + n ( B ) H i + n ( E 0 ) H i + 1 ( B ) {\displaystyle \ldots \to H^{i}(B;\mathbb {Z} )\to H^{i+n}(B)\to H^{i+n}(E_{0})\to H^{i+1}(B)\to \ldots } ,
    wobei die anderen beiden Abbildungen π | E 0 {\displaystyle \pi \vert _{E_{0}}^{*}} und die Integration entlang der Faser sind.

Euler-Klasse flacher Bündel

Simpliziale Definition

Es sei p : E | K | {\displaystyle p\colon E\to \vert K\vert } ein flaches Vektorbündel über der geometrischen Realisierung | K | {\displaystyle \vert K\vert } eines Simplizialkomplexes K {\displaystyle K} mit 0 {\displaystyle 0} -Simplizes v 1 , , v n {\displaystyle v_{1},\ldots ,v_{n}} .. Weil Simplizes kontrahierbar sind, ist das Bündel trivial über jedem Simplex. Zu beliebig gewählten s ( v i ) p 1 ( v i ) {\displaystyle s(v_{i})\in p^{-1}(v_{i})} kann man also durch affine Fortsetzung einen Schnitt s : | K | E {\displaystyle s\colon \vert K\vert \to E} konstruieren.[5] Für generische s ( v i ) {\displaystyle s(v_{i})} hat dieser Schnitt keine Nullstellen auf dem ( n 1 ) {\displaystyle (n-1)} -Skelett, höchstens eine Nullstelle pro n {\displaystyle n} -Simplex und ist transversal zum Nullschnitt.[6] Dann definieren wir einen simplizialen n {\displaystyle n} -Kozykel E {\displaystyle {\mathcal {E}}} durch

E ( σ ) = 0 {\displaystyle {\mathcal {E}}(\sigma )=0} falls s | σ {\displaystyle s\vert _{\sigma }} keine Nullstelle hat
E ( σ ) = 1 {\displaystyle {\mathcal {E}}(\sigma )=1} falls s ( p ) = 0 {\displaystyle s(p)=0} für ein p σ {\displaystyle p\in \sigma } und falls für eine positive Basis t 1 , , t n {\displaystyle t_{1},\ldots ,t_{n}} von T p K {\displaystyle T_{p}K} auch t 1 , , t n , d p s ( t 1 ) , , d p s ( t n ) {\displaystyle t_{1},\ldots ,t_{n},d_{p}s(t_{1}),\ldots ,d_{p}s(t_{n})} eine positive Basis von T s ( p ) E {\displaystyle T_{s(p)}E} ist
E ( σ ) = 1 {\displaystyle {\mathcal {E}}(\sigma )=-1} andernfalls.

Man kann zeigen, dass E {\displaystyle {\mathcal {E}}} ein Kozykel ist und sein Wert auf Zykeln nicht vom gewählten Schnitt abhängt.[7] Die von E {\displaystyle {\mathcal {E}}} repräsentierte Kohomologieklasse ist die Euler-Klasse e H n ( K ; Z ) {\displaystyle e\in H^{n}(K;\mathbb {Z} )} des flachen Bündels.

Flache SL(2,R)-Bündel

Wegen π 1 S L ( 2 , R ) Z {\displaystyle \pi _{1}SL(2,\mathbb {R} )\simeq \mathbb {Z} } hat man die universelle Überlagerung

Z S L ( 2 , R ) ~ S L ( 2 , R ) {\displaystyle \mathbb {Z} \to {\widetilde {SL(2,\mathbb {R} )}}\to SL(2,\mathbb {R} )} ,

diese ist eine zentrale Erweiterung und wird deshalb durch eine Kohomologieklasse E H 2 ( B S L ( 2 , R ) δ ; Z ) {\displaystyle E\in H^{2}(BSL(2,\mathbb {R} )^{\delta };\mathbb {Z} )} repräsentiert. Diese ist die universelle Euler-Klasse für flache S L ( 2 , R ) {\displaystyle SL(2,\mathbb {R} )} -Bündel,[8] d. h. für ein flaches Bündel P M {\displaystyle P\to M} mit Holonomie-Darstellung ρ : π 1 M S L ( 2 , R ) {\displaystyle \rho \colon \pi _{1}M\to SL(2,\mathbb {R} )} erhält man

e ( P ) = f ( B ρ ) ( E ) H 2 ( M ; Z ) {\displaystyle e(P)=f^{*}(B\rho )^{*}(E)\in H^{2}(M;\mathbb {Z} )} ,

wobei f : M B π 1 M {\displaystyle f\colon M\to B\pi _{1}M} die klassifizierende Abbildung der universellen Überlagerung ist.

Flache Kreisbündel

Es bezeichne H o m e o + ( S 1 ) {\displaystyle Homeo^{+}(S^{1})} die Gruppe der orientierungserhaltenden Homöomorphismen des Kreises. Ihre universelle Überlagerung ist H o m e o + ( S 1 ) ~ = { f : R R : f ( x + 1 ) = f ( x ) + 1   x R } {\displaystyle {\widetilde {Homeo^{+}(S^{1})}}=\left\{f\colon \mathbb {R} \to \mathbb {R} :f(x+1)=f(x)+1\ \forall x\in \mathbb {R} \right\}} . Die ganzen Zahlen wirken durch Translationen auf R {\displaystyle \mathbb {R} } und man erhält eine exakte Sequenz

Z H o m e o + ( S 1 ) ~ H o m e o + ( S 1 ) {\displaystyle \mathbb {Z} \to {\widetilde {Homeo^{+}(S^{1})}}\to Homeo^{+}(S^{1})} .

Die zugehörige Gruppenkohomologie-Klasse E H 2 ( H o m e o + ( S 1 ) ; Z ) {\displaystyle E\in H^{2}(Homeo^{+}(S^{1});\mathbb {Z} )} ist die universelle Euler-Klasse für flache H o m e o + ( S 1 ) {\displaystyle Homeo^{+}(S^{1})} -Bündel.

Eine explizite Formel wurde von Jekel[9] angegeben: die universelle Euler-Klasse E R H 2 ( H o m e o + ( S 1 ) ; R ) {\displaystyle E_{\mathbb {R} }\in H^{2}(Homeo^{+}(S^{1});\mathbb {R} )} wird durch den sogenannten Orientierungs-Kozykel o C 2 ( H o m e o + ( S 1 ; R ) {\displaystyle o\in C^{2}(Homeo^{+}(S^{1};\mathbb {R} )} repräsentiert:

o ( g 0 , g 1 , g 2 ) = 1 2 {\displaystyle o(g_{0},g_{1},g_{2})={\frac {1}{2}}} falls g 0 ( 1 ) , g 1 ( 1 ) , g 2 ( 1 ) {\displaystyle g_{0}(1),g_{1}(1),g_{2}(1)} im Uhrzeigersinn auf dem Kreis angeordnet sind
o ( g 0 , g 1 , g 2 ) = 0 {\displaystyle o(g_{0},g_{1},g_{2})=0} falls mindestens zwei der Werte g 0 ( 1 ) , g 1 ( 1 ) , g 2 ( 1 ) {\displaystyle g_{0}(1),g_{1}(1),g_{2}(1)} übereinstimmen
o ( g 0 , g 1 , g 2 ) = 1 2 {\displaystyle o(g_{0},g_{1},g_{2})=-{\frac {1}{2}}} falls g 0 ( 1 ) , g 1 ( 1 ) , g 2 ( 1 ) {\displaystyle g_{0}(1),g_{1}(1),g_{2}(1)} entgegen dem Uhrzeigersinn auf dem Kreis angeordnet sind.

Der Orientierungs-Kozykel repräsentiert dann auch für alle Untergruppen G H o m e o + ( S 1 ) {\displaystyle G\subset Homeo^{+}(S^{1})} die universelle Euler-Klasse für flache G {\displaystyle G} -Bündel. Dies gilt insbesondere für flache P S L ( 2 , R ) {\displaystyle PSL(2,\mathbb {R} )} -Bündel: man verwende die Wirkung von P S L ( 2 , R ) {\displaystyle PSL(2,\mathbb {R} )} auf S 1 = P 1 R {\displaystyle S^{1}=P^{1}\mathbb {R} } durch gebrochen-lineare Transformationen.

Literatur

  • John W. Milnor, James D. Stasheff: Characteristic classes. In: Annals of Mathematics Studies, No. 76. Princeton University Press, Princeton NJ; University of Tokyo Press, Tokyo 1974. (Kapitel 9)
  • Johan L. Dupont: Curvature and characteristic classes. In: Lecture Notes in Mathematics, Vol. 640. Springer-Verlag, Berlin / New York 1978, ISBN 3-540-08663-3
  • Raoul Bott, Loring W. Tu: Differential forms in algebraic topology. In: Graduate Texts in Mathematics, 82. Springer-Verlag, New York / Berlin 1982, ISBN 0-387-90613-4 (Kapitel 11)
  • Riccardo Benedetti, Carlo Petronio: Lectures on hyperbolic geometry. Universitext. Springer-Verlag, Berlin 1992, ISBN 3-540-55534-X (Kapitel F.4)
  • Tammo tom Dieck: Algebraic topology. EMS Textbooks in Mathematics. European Mathematical Society (EMS), Zürich 2008, ISBN 978-3-03719-048-7 (Kapitel XI)
  • Alberto Candel, Lawrence Conlon: Foliations. II. In: Graduate Studies in Mathematics, 60. American Mathematical Society, Providence RI 2003, ISBN 0-8218-0881-8 (Kapitel 4)
  • Vladimir Sharafutdinov: Relative Euler class and the Gauß-Bonnet theorem (PDF)
  • Michelle Bucher-Karlsson: Characteristic classes and bounded cohomology. (PDF; Kapitel 3.1)
  • Yin Li: The Gauss-Bonnet-Chern Theorem on Riemannian Manifolds. arxiv:1111.4972

Einzelnachweise

  1. Milnor-Stasheff (op.cit.), Theorem 12.5
  2. Shiing-Shen Chern: On the curvatura integra in a Riemannian manifold. In: Annals of Mathematics, 46 (4), 1945, S. 674–684.
  3. Sharafutdinov (op.cit.), Kapitel 2
  4. Bott-Tu (op.cit.), Kapitel 11
  5. Benedetti-Petronio (op.cit.), Lemma F.4.1
  6. Benedetti-Petronio (op.cit.), Lemma F.4.2
  7. Benedetti-Petronio (op.cit.), Proposition F.4.4 und F.4.3
  8. Bucher-Karlsson (op.cit.), Abschnitt 3.1.4
  9. Solomon M. Jekel: A simplicial formula and bound for the Euler class. In: Israel J. Math., 66, 1989, no. 1-3, S. 247–259.