Cuntz-Algebra

In der Funktionalanalysis sind die sogenannten Cuntz-Algebren O n {\displaystyle {\mathcal {O}}_{n}} (nach Joachim Cuntz) eine spezielle Klasse von C*-Algebren, die von n paarweise orthogonalen Isometrien auf einem separablen Hilbertraum erzeugt werden.

Definition

Sei H {\displaystyle H} ein separabler unendlichdimensionaler Hilbertraum. Für eine natürliche Zahl n 2 {\displaystyle n\geq 2} seien S 1 , , S n L ( H ) {\displaystyle S_{1},\dots ,S_{n}\in {\mathcal {L}}(H)} Isometrien auf H, d. h., es gilt S i S i = 1 {\displaystyle S_{i}^{*}S_{i}=1} für 1 i n {\displaystyle 1\leq i\leq n} . Zudem sollen sie die Eigenschaft

i = 1 n S i S i = 1 {\displaystyle \sum _{i=1}^{n}S_{i}S_{i}^{*}=1}

erfüllen, die Bildprojektoren sind also paarweise orthogonal. Für den Fall n = {\displaystyle n=\infty } fordert man eine Folge von Isometrien S 1 , S 2 , S 3 , {\displaystyle S_{1},S_{2},S_{3},\dots \quad } mit der Eigenschaft

i = 1 k S i S i 1 {\displaystyle \sum _{i=1}^{k}S_{i}S_{i}^{*}\leq 1\quad } für alle k N . {\displaystyle k\in \mathbb {N} .}

Man definiert nun

O n = C ( S 1 , , S n ) {\displaystyle {\mathcal {O}}_{n}=C^{*}(S_{1},\dots ,S_{n})}

als die von S 1 , , S n {\displaystyle S_{1},\dots ,S_{n}} erzeugte C*-Unteralgebra in L ( H ) {\displaystyle {\mathcal {L}}(H)} . Um eine einheitliche Notation zu wahren, behält man diese Schreibweise auch im Fall n = {\displaystyle n=\infty } bei.

Eigenschaften

Die Cuntz-Algebra O n {\displaystyle {\mathcal {O}}_{n}} hat eine Reihe von bemerkenswerten Eigenschaften, sie ist ein Beispiel für eine separable, unitale und einfache C*-Algebra.

Eindeutigkeit

Sind S ~ 1 , , S ~ n L ( H ) {\displaystyle {\tilde {S}}_{1},\dots ,{\tilde {S}}_{n}\in {\mathcal {L}}(H)} weitere Isometrien mit i = 1 n S ~ i S ~ i = 1 {\displaystyle \sum _{i=1}^{n}{\tilde {S}}_{i}{\tilde {S}}_{i}^{*}=1} , so folgt

C ( S 1 , , S n ) C ( S ~ 1 , , S ~ n ) . {\displaystyle C^{*}(S_{1},\dots ,S_{n})\simeq C^{*}({\tilde {S}}_{1},\dots ,{\tilde {S}}_{n}).}

Die Isomorphieklasse hängt also nicht von der Wahl der Erzeuger ab. Die Schreibweise O n {\displaystyle {\mathcal {O}}_{n}} , die nicht auf die Erzeuger S 1 , , S n {\displaystyle S_{1},\dots ,S_{n}} zurückgreift, wird damit gerechtfertigt.

Eine besondere Rolle bei der Untersuchung von O n {\displaystyle {\mathcal {O}}_{n}} spielt die C*-Unteralgebra F n {\displaystyle {\mathcal {F}}^{n}} , die von Elementen der Form S i 1 S i 2 S i k S j k S j k 1 S j 1 {\displaystyle S_{i_{1}}S_{i_{2}}\dots S_{i_{k}}S_{j_{k}}^{*}S_{j_{k-1}}^{*}\dots S_{j_{1}}^{*}} mit k N , 1 i l , j l n {\displaystyle k\in \mathbb {N} ,1\leq i_{l},j_{l}\leq n} erzeugt wird. Man kann zeigen, dass diese zur UHF-Algebra zur übernatürlichen Zahl n {\displaystyle n^{\infty }} isomorph ist. Setzt man einen Erzeuger fest, zum Beispiel V = S 1 {\displaystyle V=S_{1}} und schreibt V 1 = S 1 {\displaystyle V^{-1}=S_{1}^{*}} , so existieren Abbildungen F i : O n F n {\displaystyle F_{i}:{\mathcal {O}}_{n}\to {\mathcal {F}}^{n}} , sodass jedes A O n {\displaystyle A\in {\mathcal {O}}_{n}} dargestellt werden kann als

A = i = 1 V i F i ( A ) + F 0 ( A ) + i = 1 F i ( A ) V i {\displaystyle A=\sum _{i=-\infty }^{-1}V^{i}F_{i}(A)+F_{0}(A)+\sum _{i=1}^{\infty }F_{i}(A)V^{i}} .

Ein wichtiger Schritt im Beweis obiger Eindeutigkeitseigenschaft ist es, diese F i ( A ) {\displaystyle F_{i}(A)} analog zu Fourierkoeffizienten in einer Laurentreihe zu deuten. Dadurch ist es möglich zu zeigen, dass auf dem rein algebraischen Erzeugnis von S 1 , , S n , S 1 , , S n {\displaystyle S_{1},\dots ,S_{n},S_{1}^{*},\dots ,S_{n}^{*}} nur eine C*-Norm existieren kann, womit die Behauptung gezeigt ist.

Einfachheit

Eine C*-Algebra heißt einfach, falls sie keine nicht-trivialen abgeschlossenen zweiseitigen Ideale besitzt. O n {\displaystyle {\mathcal {O}}_{n}} ist sogar im algebraischen Sinne einfach.

Satz: Sei 0 X O n {\displaystyle 0\neq X\in {\mathcal {O}}_{n}} . Dann existieren A , B O n {\displaystyle A,B\in {\mathcal {O}}_{n}} mit A X B = 1 {\displaystyle AXB=1} .

Außerdem sind Cuntz-Algebren in folgendem Sinne mit einfachen, unitalen, unendlichen C*-Algebren verwandt.

Satz: Sei A {\displaystyle {\mathcal {A}}} eine einfache, unendliche, unitale C*-Algebra. Dann existiert eine C*-Unteralgebra von A {\displaystyle {\mathcal {A}}} , die isomorph zu O {\displaystyle {\mathcal {O}}_{\infty }} ist. Für endliche n 2 {\displaystyle n\geq 2} existiert eine C*-Unteralgebra B A {\displaystyle {\mathcal {B}}\subset {\mathcal {A}}} , die ein Ideal J {\displaystyle {\mathcal {J}}} enthält, sodass O n B / J {\displaystyle {\mathcal {O}}_{n}\simeq {\mathcal {B}}/{\mathcal {J}}} .

Klassifikation

Es sei O 2 = C ( S 1 , S 2 ) {\displaystyle {\mathcal {O}}_{2}=C^{*}(S_{1},S_{2})} wie oben. Definiert man S ^ 1 = S 1 2 , S ^ 2 = S 1 S 2 , S ^ 3 = S 2 {\displaystyle {\hat {S}}_{1}=S_{1}^{2},{\hat {S}}_{2}=S_{1}S_{2},{\hat {S}}_{3}=S_{2}} , so sind S ^ 1 , S ^ 2 , S ^ 3 {\displaystyle {\hat {S}}_{1},{\hat {S}}_{2},{\hat {S}}_{3}} ebenfalls Isometrien mit S ^ 1 S ^ 1 + S ^ 2 S ^ 2 + S ^ 3 S ^ 3 = 1 {\displaystyle {\hat {S}}_{1}{\hat {S}}_{1}^{*}+{\hat {S}}_{2}{\hat {S}}_{2}^{*}+{\hat {S}}_{3}{\hat {S}}_{3}^{*}=1} und es gilt offensichtlich C ( S ^ 1 , S ^ 2 , S ^ 3 ) C ( S 1 , S 2 ) {\displaystyle C^{*}({\hat {S}}_{1},{\hat {S}}_{2},{\hat {S}}_{3})\subset C^{*}(S_{1},S_{2})} .

Man erhält auf diese Weise die Inklusionen

O O n O 2 {\displaystyle {\mathcal {O}}_{\infty }\subset {\mathcal {O}}_{n}\subset {\mathcal {O}}_{2}} .

Mit K-theoretischen Methoden zeigt man, dass O n {\displaystyle {\mathcal {O}}_{n}} und O m {\displaystyle {\mathcal {O}}_{m}} nicht isomorph sind, falls n m {\displaystyle n\neq m} . Falls n {\displaystyle n} endlich ist, so berechnet sich die K 0 {\displaystyle K_{0}} -Gruppe von O n {\displaystyle {\mathcal {O}}_{n}} zu Z n 1 {\displaystyle \mathbb {Z} _{n-1}} . Für den Fall n = {\displaystyle n=\infty } ergibt sich K 0 = Z {\displaystyle K_{0}=\mathbb {Z} } . Da die K 0 {\displaystyle K_{0}} -Gruppe eine Isomorphie-Invariante ist, folgt sofort die Behauptung.

Darstellung als Kreuzprodukt

Auf F n {\displaystyle {\mathcal {F}}^{n}} existiert ein *-Automorphismus Φ {\displaystyle \Phi } , sodass O n F n Φ Z {\displaystyle {\mathcal {O}}_{n}\simeq {\mathcal {F}}^{n}\rtimes _{\Phi }\mathbb {Z} } . Da F n {\displaystyle {\mathcal {F}}^{n}} als eine UHF-Algebra nuklear ist, folgt aus dieser Darstellung als Kreuzprodukt, dass auch O n {\displaystyle {\mathcal {O}}_{n}} nuklear ist.

Literatur

  • Joachim Cuntz: Simple C*-algebras generated by isometries. (Pdf) In: Comm. Math. Phys. 57. 1977, S. 173–185, abgerufen am 17. April 2012 (englisch). 
  • K. R. Davidson: C*-Algebras by Example, American Mathematical Society (1996), ISBN 0-821-80599-1